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Der SV Worms 1878 steigt in die zweite Bundesliga auf – Interview mit Daniel Helbig

Nach einer großartigen Saison in der Oberliga Südwest (16:2 Punkte, nur eine Niederlage im bedeutungslosen letzten Spiel) hat der SV Worms den Aufstieg in die zweite Liga geschafft. Somit wird der Pfälzische Schachbund in der Saison 2019/20 zwei Bundesligisten stellen, da Speyer-Schwegenheim bereits den Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga sicher hat. Der Wormser Mannschaftssprecher Daniel Helbig beantwortet ein paar Fragen zum Verlauf der Saison.

Hallo Daniel,
zunächst einmal Glückwunsch zum großen Erfolg.
Wie war die Saison für euch? Ihr wart ja nicht unbedingt als Favorit ins Rennen gegangen.

„Vielen Dank für die Glückwünsche! Vor der Saison gingen die Meinungen bei uns etwas auseinander. Die einen haben gesagt: «Dieses Jahr werden wir Meister», die anderen waren da eher zurückhaltender. Man muss dann auch sehen, dass der Wormser SV in den letzten Jahren immer weit vorne in der Endabrechnung gelandet ist, das gab uns Mut. Außerdem war vor der Saison Johannes Feldmann zu uns gewechselt, der die Mannschaft zusätzlich verstärkte. Wir haben dann einfach beschlossen, Spiel für Spiel zu nehmen (eine Vorgehensweise, die besonders Roland Ollenberger regelmäßig ausruft) und vor allem zu schauen, was die anderen starken Teams in der Zwischenzeit abliefern würden.

Einig waren wir uns zumindest darüber, dass wir in den Runden 1-7 jeweils die favorisierte Mannschaft sein sollten. In Runde 8 und 9 warteten dann die Mitfavoriten aus Landau und Schwarzenbach auf uns. Zugegebenermaßen hofften wir ein wenig darauf, dass die beiden bis dahin schon irgendwo den ein oder anderen Punkt würden liegen lassen, damit wir nicht gegen beide Mannschaften um den Aufstieg spielen müssten. Das war ja dann am Ende auch der Fall gewesen und zum Beispiel ein Vorteil, den wir gegenüber Landau hatten, die direkt in der ersten Runde auf Schwarzenbach trafen. Mit dem Sieg in der 8. Runde gegen Landau waren wir so sicher Meister und das Spiel gegen Schwarzenbach war entsprechend entspannt.

Im Nachhinein ist es fast schon merkwürdig zu sehen, dass die Saison dann eigentlich tatsächlich so lief, wie wir uns das vorher im Idealfall (7 Siege in den ersten Runden und dann noch ein Entscheidungsspiel) ausgemalt hatten. Wer die Spieler aus unserer Mannschaft kennt, weiß, dass wir zugegebenermaßen auch immer gut dafür sind, irgendwo mal einen Punkt aus nicht rein schachlichen Gründen (Stichwort: Anreise) liegen zu lassen – eine Eigenart, die wir uns übrigens mit den Schachfreunden aus Schwarzenbach teilen. In meinen Jahren in der Mannschaft habe ich gelernt, dass das aber irgendwie zu der Truppe fest dazugehört, auch wenn ich selbst hin und wieder ganz schön auf dem Zahnfleisch gehe. Ich weiß gar nicht, wie oft ich der Mannschaft schon damit gedroht habe, die nächsten Spieltage auszusetzen, wenn wir das nicht besser hinbekommen. Natürlich habe ich das dann aber doch nie gemacht und diese Lockerheit ist definitiv auch eine Stärke der Mannschaft.“

Der Star war bei euch die Mannschaft, oder? Ihr habt sehr konstant gespielt und meist das beste Team zusammengehabt. Bleibt ihr zusammen?

„Das mag sich jetzt etwas sehr floskelhaft anhören, aber die Mannschaft hatte dieses Jahr einfach auch eine gute Mischung.  Auf der einen Seite haben wir mit Spielern wie Thomas Steinkohl und Steffen Schluchter erfahrene, sichere Leute, die nur schwer zu besiegen sind. Beide haben die ganze Saison über auch immer die Ruhe ausgestrahlt, die gerade dann eher aufgeregte Spieler wie ich nötig haben. Dann geht es auch voll in Ordnung, wenn sie mich ein wenig aufziehen, weil ich im 35. Zug zitternd mit der Verpackung meines Schokoriegels kämpfe.

Auf der anderen Seite haben wir viele Spieler, die regelmäßig starke Langzeitturniere mitspielen. Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade hier eine der größten Stärken der Mannschaft liegt. In erster Linie denke ich dabei an Dennis Naßhan und Johannes Feldmann, die ihre Wertungszahl eben regelmäßig gegen junge, aufstrebende Spieler in Open beweisen. Dennis hat sich in den letzten Jahren immens verbessert und er ist zu einer echten „Bank“ am ersten Brett geworden. Johannes hat so wie ich einen etwas mechanistischen Zugang zum Spiel und ich bin sportlich und persönlich sehr froh darüber, ihn in der Mannschaft zu haben.

Außerdem haben wir in unserer Mannschaft mit einem Mike Martin, einem Roland Ollenberger und mir dann auch die typischen „Fuddler“, bzw. „Kämpfer“ sitzen. Wir überzeugen zwar nicht unbedingt immer mit filigranem Schach, bringen unsere Gegner aber dennoch irgendwie des Öfteren um den eigentlich verdienten Punkt (Thorsten Dauenheimer hat dieses Schach einmal sehr schön „Bauarbeiter-Schach“ genannt).

Ein klein wenig das „enfant terrible“ der Mannschaft ist schließlich Martin Heider. Wenn Martin einen guten Tag hat und aufs Brett bringt, was er eigentlich kann, spielt er in der gleichen Liga wie viele Großmeister. Leider gelingt ihm das aber nicht immer. Die Mannschaft hat Martin jedenfalls fest ins Herz geschlossen – mal wird er aufgebaut, mal wird er aufgezogen und immer sind alle froh, wenn er spielt. Ich persönlich habe viel von ihm gelernt.

Zuletzt darf man aber auch nicht die „Ersatzbank“ der Mannschaft vergessen. David Musiolik etwa hat 3 Punkte aus seinen 3 Einsätzen geholt. Und dann gibt es da auch noch das ganze „Orga-Team“ um Dr. Gernot Köhler, Patrick Boos und den restlichen Vorstand, ohne die die Saison so sicherlich nicht geklappt hätte.

Dass die Mannschaft meist komplett gespielt hat, war sicherlich auch ein Schlüssel zum Erfolg gewesen. Genauso die Stimmung in der Truppe, die besser eigentlich kaum sein könnte. Verlustpartien sind bei uns wirklich nie ein Thema. Eher wird man mal aufgezogen, wenn man seinen Gegner nur „billig“ noch reingelegen konnte, oder wenn man im Vorfeld ambitioniert versucht, eine Art Strategie für den Mannschaftskampf festzulegen.

Mir persönlich macht es jedenfalls sehr sehr viel Spaß, in dieser Mannschaft zu spielen und ich gehe davon aus, dass wir im Großen und Ganzen nächste Saison so zusammenbleiben werden.“

Gab es einen Zeitpunkt, ab dem ihr an den Aufstieg geglaubt habt?

„Wie schon gesagt, gab es einige, die schon vor der Saison fest mit dem Aufstieg rechneten. Ich persönlich habe zum ersten Mal nach dem Spiel gegen Heimbach-Neuwied daran geglaubt. Wir hatten nur ganz knapp auswärts gewonnen und der Mannschaftskampf war zwischenzeitlich recht eindeutig verloren. Gleich an mehreren Brettern mussten wir Fortuna bemühen und ich, als Theologe, war eigentlich pausenlos damit beschäftigt, irgendwelche Rituale aufzuführen. Abends stand ich dann als Teil meines Nachhauseweges zusammen mit Johannes Feldmann am Hauptbahnhof Ludwigshafen und ich fragte ihn zum ersten Mal, wie hoch er denn (er ist Mathematiker) die Chancen auf einen Aufstieg von uns ansetzen würde. Selbstverständlich klingt das jetzt kitschig und wohl auch etwas aufgesetzt, aber der knappe Sieg gab mir irgendwie Zuversicht. Es ist übrigens typisch für diese Mannschaft, dass sie einen Großteil ihrer Partien erst in der späten Phase, um die Zeitnot herum, für sich entscheidet. Dieses Muster wiederholte sich dann auch im entscheidenden Kampf gegen Landau. Johannes gab uns damals in Ludwigshafen 30%. Im Laufe der Saison wuchs dann meine Sicherheit und die der Mannschaft mehr und mehr. Vor dem Entscheidungsspiel gegen Landau haben dann irgendwie alle daran geglaubt, dass wir gewinnen würden.“

Mit welchen Ambitionen geht ihr in die nächste Saison? Die wenigsten von euch haben Erfahrung in solch einer hohen Klasse.

„Hier kann ich nur für mich sprechen, weil wir darüber noch nicht groß gesprochen haben. Der typische Termin für alle Planungen mit der ersten Mannschaft ist in Worms immer das Sommergrillen. Für mich jedenfalls geht es in der kommenden Saison eigentlich ausschließlich um den Spaß. Vermutlich werden alle meine Gegner deutlich stärker sein als ich und so schaue ich – gemäß Ollenberger – einfach von Partie zu Partie. Ich will einfach versuchen, diese Erfahrung in der 2. Schachbundesliga zu genießen. Hier fällt mir jetzt aber auch noch ein Spruch ein, den mir mein allererster Schachtrainer, damals noch beim SC Schifferstadt, mit auf den Weg gab. Das war Andreas Werner gewesen, der damals zu mir sagte: «Daniel, egal wie viel besser die anderen sind, irgendeinen verar…t man immer.»“

Ich wünsche euch viel Erfolg in der neuen Saison.

Dirk Hirse

Presse PSB